Herbstzeit


 Noch schmecken wir den späten Sommer 

in den Morgennebeln

 trinken rubinroten Wein

 gereift mit der Süße der Erfahrung.

 Noch riechen wir den späten Sommer

 bei den Stoppelfeldern

 atmen kornblumenblaue Luft

 getragen von der Würde des Abschieds.


 Noch hören wir den späten Sommer

 in den Abendgesängen

 tanzen freudbeseelte Schwärme

 beladen mit der Schwere des Aufbruchs.

 Noch sehen wir den späten Sommer

 in den Schattenspielen 

taumeln windseidene Flügel 

wie trunken durch das Dämmerlicht.

 


Noch fühlen wir den späten Sommer

 in den Regenreigen

 sammeln bitterbunte Wärme

 die abends trostloser Kälte weicht.

 Noch schenkt uns der späte Sommer

 Leuchtkaskaden der Natur 

schwört im Angesicht der Sonne ew´ge Treue

 bricht den Schwur.




Herbst


 Wenn im Herbst die Grade stürzen 

und die Tage sich verkürzen 

wandern Flip-Flops in den Keller 

und die Uhren ticken schneller

 Hektik macht sich langsam breit 

Garten: „Bald gibt´s Winterzeit!“ 

Ist die Zeit vom Stress befreit

 steht ´ne Stunde mehr bereit 

ducken sich in Hagelstürmen

 Menschen – aus den Wolkentürmen

 prasselt Regen ziemlich laut

 so durchnässt bis auf die Haut

 ruft genervt fast jedermann:

 „Wann kommt endlich Schnee, sag´ wann?“ 


Wenn im Herbst die Grade stürzen

 und die Tage sich verkürzen

 grinsen selbst die Winterreifen

 die wir bald schon überstreifen

 denn bald ist des Winters Zeit

 Nebel macht sich bleiern breit 

träge drückt er auf die Seele

 weil ich mich frühmorgens quäle 

mich im Dunkeln orientieren 

fällt mir schwer – ich hasse frieren 

stapfe fluchend durch die Pfützen 

trage Schuhe die nichts nützen!

 So genervt ruft jedermann:

 „Wann kommt endlich Schnee, sag wann?“ 


Wenn im Herbst die Grade stürzen 

und die Tage sich verkürzen

 schielt man nach den Plätzchendosen

 und probiert die Winterhosen

 Pullis kratzen kneifen zwicken 

wenn sie wieder Licht erblicken

 wandern Shorts und Minikleider

 müde in die Schrankwand weiter

 Schals und Mützen werden wach

 wenn der Wind pfeift über´s Dach

 Winterstiefel sind zu kaufen

 Tausende zu Deichmann laufen:

 So genervt ruft jedermann:

 „Wann kommt endlich Schnee, sag´ wann?“ 


Wenn im Herbst die Grade stürzen

 und die Tage sich verkürzen

 döst der Grill im Winterschlaf

 träumt von Halssteaks Fisch und Schaf

 doch die Kohlen sind verglüht

 selbst der Glühwein wirkt verfrüht

 wie die ersten Weihnachtsstollen

 weil dies Aldi – Lidl wollen 

Nikoläuseosterhasen 

die ihr Zeitgefühl vergaßen

 steh´n verwundert in der Box

 neben Krippe, Esel, Ochs´!

 So genervt ruft jedermann:

 „Wann kommt endlich Schnee, sag´ wann?“ 


Wenn im Herbst die Grade stürzen

 und die Tage sich verkürzen 

hat die Sauna Hochbetrieb 

schwitzt das Fett das bleibt – das blieb

 Schnupfen Halsweh und Katarrh 

sind präsent wie jedes Jahr

 und der Husten bellt ganz laut:

 „Hört was sich zusammenbraut!“ 

Kalte Füße – Filzpantoffeln 

Ohrenwickel – Heißkartoffeln

 heißer Tee und Biathlon

 im Bakterien – Marathon!

 So genervt ruft jedermann:

 „Wann kommt endlich Schnee, sag´ wann?“ 


Wenn im Herbst die Grade stürzen

 und die Tage sich verkürzen

 kratzen wir die Fensterscheiben

 von den Autos frei und schreiben 

Wörter auf das kalte Glas 

ein´s davon heißt „Winterspaß“ 

denn im ersten Flockenkleid

 grüßt der Winter startbereit

 und wir schnuppern Winterluft 

Lebkuchen und Märchenduft! 

Frost lässt uns´re Wangen glühen

 und die Lebenslust versprühen

 die nur Winter geben kann: „Dann ist Winter – endlich dann!“



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                                                                   (Das politische Gedicht)